„Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg“

Im Gespräch mit Nicole Walter-Mundt

30.08.2018, 09:04 Uhr | Oranienburg
Möchte 2019 für den Landtag kandidieren, Foto: Andreas Herz
Möchte 2019 für den Landtag kandidieren, Foto: Andreas Herz

Nicole Walter-Mundt ist Vorsitzende der CDU Oranienburg und seit zehn Jahren ehrenamtlich in der Kommunalpolitik aktiv. Die 41-jährige Stadtverordnete und Kreistagsabgeordnete spricht über Oranienburgs Herausforderungen im Mobilitätsbereich, die schwierige Situation der Stadt bei der Kampfmittelbeseitigung und ihre Kandidatur für den Landtag. VON CHRISTIAN HOWE

Frau Walter-Mundt. Die Sommerpause ist nun zu Ende. Konnten Sie in den zurückliegenden Wochen auch mal Luft holen?

Ja, das konnte ich. Es war mir wichtig die Zeit mit meiner Familie und den Kindern zu verbringen. Ich habe mich mal ganz bewusst zurückgenommen, um Kraft zu tanken für die vielen Aufgaben, die nun vor uns liegen. Aber natürlich lässt sich die Politik in den Sommermonaten nicht vollständig beiseiteschieben. Einige Termine habe ich schon wahrgenommen.

Wissen Sie noch, was Sie vor zehn Jahren dazu bewog, in Oranienburg politisch aktiv zu werden?
 

Natürlich. Ich habe mit meinem Mann einige Jahre in Berlin, Erlangen und Großbritanien gelebt. Als ich mit meinem zweiten Sohn schwanger war, suchten wir einen geeigneten Heimathafen. Oranienburg erschien uns familiär, hier bin ich ja selbst aufgewachsen und zur Schule gegangen. Im Wettbewerb mit anderen Orten hat meine Heimat schließlich gewonnen. Wie so viele junge Familien suchten wir für unseren ältesten Sohn einen adäquaten Kitaplatz. Als wir jedoch immer nur Absagen erhielten, bin ich das erste Mal zu einer Veranstaltung der CDU gegangen. Ich wollte nicht einfach nur meckern, sondern die Gründe verstehen. Ich wollte selber etwas unternehmen, damit sich die Situation für junge Familien verbessert.

 

 

„Ich wollte nicht einfach nur meckern, sondern die Gründe verstehen. Ich wollte selber etwas unternehmen, damit sich die Situation für junge Familien verbessert.“

 

 

Wie ging es für Sie politisch weiter?

Zunächst engagierte ich mich als sachkundige Einwohnerin im Sozialausschuss für den Ausbau der Kitaplätze. Eine Zeit lang war ich mit einem Programm im Eltern-Kind-Treff aktiv, habe dort mitgeholfen den Kindern das ABC und die Zahlen beizubringen. Zusammen mit der CDU-Fraktion konnte ich den neuen Standort der Comenius Grundschule in Süd durchsetzen. Bildung ist seither ein ganz wesentliches Thema, das mich bewegt und politisch begleitet.


Im Mobilitätsbereich sind die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen

Sie haben für die CDU Oranienburg einen neuen politischen Stil angekündigt. Was können wir uns darunter vorstellen?

In den zurückliegenden Monaten haben wir intern viele Ideen für Oranienburg diskutiert. Nun geht es darum, dass wir unsere Vorschläge in konkrete Politik ummünzen. Hier wollen wir mutiger und entschlossener agieren als bisher. In zentralen Fragen der Stadtpolitik haben wir ja deutlich abweichende Positionen zur politischen Konkurrenz. In der Vergangenheit ist es uns jedoch nicht immer gelungen, das auch nach außen hin deutlich zu machen. Das wollen wir ändern.

Können Sie ein konkretes Beispiel benennen?

Nehmen wir die Verkehrspolitik. Die CDU war immer gegen ein flächendeckendes Tempo 30 in der Innenstadt. Im Gegensatz zu Grüne, LINKE und SPD haben wir das Verkehrsentwicklungskonzept deshalb abgelehnt. Auch unsere Initiative zum Bau einer dritten Havelquerung wurde mit diesem Konzept wieder gekippt. Jetzt heißt es: Die Stadtverordneten wollten das alles so. Und: Die Oranienburger sollen im Zuge des Neubaus der Dropebrücke doch Verständnis für das drohende Verkehrschaos aufbringen. Richtig ist: In den letzten fünf Jahren haben die Verwaltung und das rot-rot-grüne Mobilitätsbündnis unsere Lösungsvorschläge im Verkehrsbereich blockiert.

Nein, zu Tempo 30 und ja, zu einer weiteren Brücke über die Havel. Ist das schon die neue Verkehrspolitik der CDU Oranienburg?

Das ist natürlich nur ein kleiner Ausschnitt. Wir haben uns den Mobilitätsbereich insgesamt angeschaut und sind gerade dabei unsere Positionen auszuformulieren. Wir wollen die Bedürfnisse aller Verkehrsteilnehmer berücksichtigen und nicht nur die der Radfahrer oder Autofahrer. Ein zentraler Baustein ist für uns der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, unter anderem der 10-Minutentakt auf der S-Bahnlinie 1. Dieser würde auch vielen Oranienburgerinnen und Oranienburgern zugutekommen, die für ihren täglichen Weg zur Arbeit auf eine attraktive und zukunftsfeste Verbindung nach Berlin angewiesen sind. Die notwendigen Investitionen in den längst überfälligen Ausbau der Strecke müssen wir nur konsequent und immer wieder von der Landesregierung einfordern. Sonst bewegt sich hier nichts. Die Petition, die auch viele Menschen aus Oranienburg aktiv unterstützt haben, setzt da an.

Ist der Bahnhof Oranienburg und das Bahnhofsumfeld überhaupt für steigende Pendlerzahlen ausgelegt?

Der Bahnhofsvorplatz wird derzeit Schritt für Schritt umgestaltet. Das neue Fahrradparkhaus wird demnächst eingeweiht und der Park- & Ride Parkplatz am Arbeitsamt wird erweitert. Das ist gut so und wird dazu beitragen, den wachsenden Pendlerzahlen in Oranienburg gerecht zu werden. Perspektivisch sollten wir auch den Tunneldurchbruch realisieren und die Bahnhofsrückseite für Fußgänger sowie für den Rad- und Autoverkehr mit Straßen und kostenfreien Parkmöglichkeiten erschließen. Unser Ziel ist es, den Zugang zum Bahnhof von allen Seiten zu ermöglichen.


Land und Bund müssen Oranienburg bei der Bewältigung der Bombenlast stärker unterstützen

In Sachen Kampfmittelbelastung kommt Oranienburg bundesweit eine Sonderstellung zu. Unter unseren Füßen werden noch rund 300 Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg vermutet. Viele davon wurden mit einem chemischen Langzeitzünder ausgestattet und könnten jederzeit selbst detonieren. Wie tief ist diese Gefahr im Bewusstsein der Oranienburger verankert?

Die meisten Oranienburger leben schon seit ihren Kindheitstagen damit. Wir haben da schon eine gewisse Routine, sollte eine Bombe gefunden und unschädlich gemacht werden. Spätestens, wenn die Sirenen ertönen, gehen wir wieder unserem Alltag nach. Jedoch kenne ich niemanden, der die explosive Gefahr in unserer Erde verharmlost. Im Jahr 1997 wurde eine Bombe unter dem Fahrradständer meiner ehemalige Schule gefunden und weitere in unmittelbarer Nähe zu den Schulstandorten. Für mich und für viele Oranienburger war das so ein einprägsames Ereignis. Eine davon konnte damals nicht entschärft werden. 17.000 Menschen mussten bis in die Nachtstunden ausharren. Erst weit nach 22 Uhr gab es dann einen lauten Knall, dicht gefolgt von der Erschütterung im Boden, die noch bis in den letzten Winkel Oranienburgs zu spüren war. In den darauffolgenden Tagen lagen überall die Reste der Strohdämmung auf den Straßen verteilt, die Fensterscheiben einiger Gebäude waren durch die Druckwelle zerborsten und im gesamten Innenstadtgebiet konnte man kleine bis mittelgroße Bombensplitter aus verkrustetem Metall aufsammeln.

 

 

„Da gehen wir jeden Tag drüber. Das sind Orte, die wir kennen. Das ist die Schule, der Kindergarten, das sind Straßen, die wir andauernd benutzen.“

 

Im schlimmsten Fall löst die Erschütterung eine Folgedetonation aus. Die Sprengmeister vom Kampfmittelbeseitigungsdienst berichten, dass die Bomben mit chemischem Langzeitzünder bereits sehr labil sind. Und davon könnten noch Hunderte im Boden liegen. Da gehen wir jeden Tag drüber. Das sind Orte, die wir kennen. Das ist die Schule, der Kindergarten, das sind Straßen, die wir andauernd benutzen.

Und wie lange schätzen Sie braucht es noch, bis alle Bomben beseitigt sind?

Das ist schwer zu beantworten. Wir können Oranienburg ja nicht fünf Jahre lang evakuieren oder über Monate hinweg alles lahmlegen. Die Leute ziehen alle weg, verlassen ihre Arbeitsplätze, ihre Wohnungen – das wird so nicht funktionieren. Bei der Kampfmittelbeseitigung können wir nur systematisch und Schritt für Schritt vorgehen. Das Spyra-Gutachten aus dem Jahr 2008 ist uns eine gute Grundlage. Damit arbeiten wir schon sehr lange sehr erfolgreich.

Würde eine größere finanzielle Unterstützung vonseiten des Landes oder des Bundes dazu führen, dass die Suche und Beseitigung der Bomben schneller vorangeht?

Mehr Geld von Land und Bund würde vor allem den städtischen Haushalt um viele Millionen Euro entlasten. Wir hätten dann mehr Mittel für Grundschulen, Kitas oder den Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung. Eine größere finanzielle Unterstützung würde uns auch helfen die Folgen der systematischen Kampfmittelsuche schneller zu beseitigen. Oranienburg wird ja praktisch wie ein Schweizer Käse durchlöchert. Die Schäden an unseren Straßen werden im Anschluss aber nur notdürftig gestopft. Besonders lange hält das nicht. Jeder Autofahrer, der in den vergangenen Jahren mal über die Lehnitz- oder über die Saarlandstraße gefahren ist, konnte das buchstäblich spüren. Schneller würde die Suche und die Beseitigung der Bomben nur dann vorangehen, wenn wir alle relevanten Bereiche personell aufstocken – also mehr Sachbearbeiter in den entsprechenden Abteilungen der Verwaltung und mehr Personal beim Kampfmittelbeseitigungsdienst des Landes. Das könnte die ganzen Verfahren zwischen Sondieren, Feststellen und Unschädlichmachen verkürzen.

Vor rund vier Wochen haben sich Bundestagsabgeordnete der CDU über die Kampfmittelbelastung in Oranienburg informiert. Sie waren als CDU-Ortsvorsitzende bei den Gesprächen dabei. Wie stehen die Chancen, dass sich der Bund auch nach 2019 an den Kosten beteiligt?

Das war in der Tat ein sehr wichtiger Termin für Oranienburg. Uwe Feiler (CDU) ist es zu verdanken, dass dieser im Zuge der Beratungen zur Finanzplanung des Bundes stattfinden konnte. Im jetzigen Haushaltsentwurf von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ist der Hilfsfonds leider nicht mehr aufgeführt. Dieser wurde 2015 mit 60 Mio. Euro einmalig aufgelegt, um stark belastete Kommunen wie Oranienburg finanziell zu entlasten. Rein rechtlich gesehen darf es keine Neuauflage geben, weil unser Grundgesetz die Aufgaben so geregelt hat, dass die Bundesländer für die Gefahrenabwehr zuständig sind und für die Beseitigung der Kampfmittel somit auch finanziell aufkommen müssen.

Also gibt es 2019 definitiv kein Geld mehr vom Bund?

Ich glaube, wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. In 2015 und 2016 wurden insgesamt nur 9 Mio. Euro aus dem Hilfsfonds abgerufen, bundesweit. Von den ursprünglich 60 Mio. Euro ist also noch eine ganze Menge Geld übrig. Was spricht dagegen, den bestehenden Fond vollständig auszuschöpfen? Ich bin optimistisch, dass man sich im Bund weiterhin ernsthaft mit unserer Situation befasst und sich eine Lösung finden wird.

 

Land Brandenburg wird seit Jahren unter Wert regiert

Die rot-rote Landesregierung will mit einer Bundesratsinitiative erreichen, dass der Bund vollständig für die Kosten der Kampfmittelbeseitigung aufkommt. Wie bewerten Sie eine mögliche Änderung des Grundgesetzes?

Solche Bundesratsinitiativen gab es ja schon öfter. Nie haben sie zum Erfolg geführt, auch diesmal nicht. Ich glaube, den Oranienburgern ist es völlig egal, ob das Geld nun vom Land oder vom Bund kommt. Ich kann es ehrlich gesagt auch nicht mehr hören, wie man sich seit 28 Jahren gegenseitig die Verantwortung zuschiebt. Für mich sind Land und Bund gleichermaßen in der Pflicht. Auch die Landesregierung darf sich hier nicht aus der Zuständigkeit stehlen, so bereits geschehen bei den Kosten für die Grundwasserabsenkung. Dafür muss die Havelstadt Oranienburg nun auch noch aufkommen. Hinweise, dass wir doch die "Zustandsstörer", sprich private Häuslebauer, zur Kasse bitten könnten, sind da wenig hilfreich. Als Stadtverordnete haben wir mal beschlossen, dass die städtische Solidargemeinschaft keine Oranienburgerin und keinen Oranienburger mit den Kosten einer Kampfmittelbeseitigung alleine lässt. Das ist auch richtig so und an diesem Modell darf sich rot-rot in Brandenburg gerne orientieren.

 

 

„Für mich sind Land und Bund gleichermaßen in der Pflicht. Auch die Landesregierung darf sich hier nicht aus der Zuständigkeit stehlen.“

 

 

Sie haben bereits Anfang des Jahres angekündigt, dass Sie 2019 als Direktkandidatin für den Landtag kandidieren möchten. Warum wollen Sie Landtagsabgeordnete werden?

Brandenburg wird derzeit weit unter Wert regiert. Die Interessen der Menschen aus Oberhavel werden auf Landesebene zu wenig berücksichtigt. Ich vermisse im Land aber vor allem den Mut, wichtige Dinge auch mal anzupacken und die notwenigen Veränderungen anzuschieben. Es reicht mir nicht aus, dass den Menschen fünf Jahre lang alles in Aussicht gestellt wird, wie beim 10-Minutentakt auf der S1. Die Landesregierung muss jetzt auch mal konkret werden und die notwendigen Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur zielgerichtet einplanen und einsetzen. Es reicht mir auch nicht aus, dass die hiesigen Landespolitiker bei der Kampfmittelbeseitigung immer nur Hilfe vom Bund fordern, um sich anschließend fein aus der Affäre zu ziehen, wie schon geschehen bei den Kosten für die Grundwasserabsenkung. Ich finde es beschämend, dass Brandenburg im aktuellen Bildungsmonitor nur auf Platz 14 liegt, unsere Kinder beim Lesen, Schreiben und Rechnen zu den Schlusslichtern in Deutschland gehören. Ich glaube, wir können in Brandenburg mehr. Ich möchte dazu beitragen, dieses Land voranzubringen.

Frau Walter-Mundt, vielen Dank für das Gespräch.


aktualisiert von Christian Howe, 07.10.2022, 22:02 Uhr